Schwyz

Ein Sammeltaxi für Thiobon

Aus dem Erlös der Ausstellung «Sopi» wurde den Menschen in einem afrikanischen Dorf das Leben etwas vereinfacht. Ihnen gehört jetzt ein Kleinbus.

VON DANIELA BELLANDI


Die Schwyzer Künstlerin Regula Trutmann pendelt seit Jahren zwischen der Schweiz und ihrer Wahlheimat Senegal hin und her. Dies liegt nicht nur daran, dass ihr Mann Yves von dort kommt. Ihre Liebe zu diesem westafrikanischen Land entdeckte sie schon im Jahre 1994 auf einer Reise durch die Sahara, die in Senegal endete. Nebst den Naturschönheiten und der sprudelnden Lebensfreude, die sie dort antraf, waren die vielen Missstände und eine bittere Armut nicht zu übersehen. Da konnte die gelernte Kindergärtnerin nicht tatenlos zusehen. Geld sammeln, und dies den Menschen einfach übergeben, war für sie ebenfalls keine Lösung. «Ich wollte eine Gegenleistung, damit die Leute auf ihren Willen und ihr Mitwirken stolz sein können», erinnert sich die 48-Jährige. So startete sie vor vier Jahren das Projekt «Sopi», was in der senegalesischen Landessprache Wolof so viel wie Veränderung oder Entwicklung bedeutet.

Besprechung im heiligen Wald
Im Dorf Thiobon in der Casamance im Süden des Landes, fragte sie Töpferinnen an, ob diese bereit wären, 100 Tonfiguren von ungefähr einem Meter Höhe zu schaffen, die dann in der Schweiz ausgestellt und verkauft würden. Es sollten aufrechtstehende Frauenfiguren sein. Nach einer nächtlichen Besprechung im heiligen Wald der Frauen teilten diese ihr mit, dass sie damit einverstanden seien. «Dies war nicht selbstverständlich, denn im islamischen Glauben gibt es eigentlich keine Abbildungen, sondern nur Ornamente», erklärt Regula Trutmann.

80 000 Franken Erlös
Wieder zurück in der Schweiz, machte sich die kreative Schwyzerin auf die Suche nach Frauen, die die selbe Aufgabe hier lösen würden. So wurden vor einem Jahr in Basel und in Schwyz je 100 schwarze und 100 weisse Tonfiguren ausgestellt, die von 30 Senegalesinnen und 80 Schweizerinnen geschaffen worden sind. Die Ausstellung stiess auf grosses Interesse. Mehr als die Hälfte der Figuren konnten bis jetzt verkauft werden und brachten 80 000 Franken ein.
Mit dieser Geldsumme reisten die Initiantin und ihr Mann im April nach Thiobon. Nachdem sie gewisse Hindernisse überwunden hatten, kamen die beiden im 2000-Seelen-Dorf an und trafen sich mit den beteiligten Frauen, um ihnen die gute Nachricht zu überbringen und festzulegen, was mit dem Geld geschehen soll. «Wir erzählten ihnen, wir hätten 30 000 Franken dabei. Den effektiven Betrag hätten sie sich kaum vorstellen können», erzählt Trutmann.

Überall herrscht Not
Jede Frau bekam ein Geschenk, nämlich 5000 CFA (die Währung der zentralafrikanischen Republiken), was 12 Franken 50 entspricht und in Senegal viel Geld ist. Einige der Frauen wollten sich jedoch nicht damit zufrieden geben. Viel mehr wollten sie den gesamten Betrag unter sich aufteilen. Die Schwyzerin und ihr Mann mussten gute Argumente bringen und die Frauen an die Abmachung erinnern. Erst als sie ihnen erklärten, dass die Frauen in der Schweiz ohne Bezahlung mitgemacht haben, und viele Leute Geldsummen für die Dorfgemeinschaft spendeten, kamen sie wieder von diesem Gedanken ab.
Möglichkeiten, das Geld sinnvoll einzusetzen, gäbe es viele. «Wo man hinschaut sind Reparaturen, Erweiterungen und Umbauten nötig. Die Regale der Apotheke sind leer und die Geburtsstation ist in einem erbärmlichen Zustand», sagt Trutmann. Frauen, die für die 600 Schulkinder das Mittagessen zubereiten sollten, springen ab, weil sie nicht mehr bezahlt werden. Sie gehen zurück in die Reisfelder, um ihr tägliches Brot zu verdienen.

Projekt soll weiter gehen
Ausser dem Ochsenkarren besassen die Einwohner von Thiobon kein eigenes Transportmittel. Nach intensiven Diskussionen wurde beschlossen, einen Kleinbus anzuschaffen. Der Bus mit 19 Plätzen (hier hätte der selbe acht Plätze) ist seit zwei Monaten im Einsatz und bringt die Menschen in die 30 Kilometer entfernte Stadt Bignona, wo sie zum Markt fahren oder bei Bedarf ins Spital oder zu den verschiedenen Ämtern gehen können. «Die Dorfbewohner sind mächtig stolz auf ihr schönes Taxi», freut sich Trutmann. Eine Vertrauensperson verwaltet das Konto.
Ja, es gäbe noch viel zu tun, meint Regula Trutmann. Das Projekt «Sopi» geht weiter. Dafür wurde in Schwyz ein Verein mit dem selben Namen gegründet. Neumitglieder sind natürlich immer willkommen. In nächster Zukunft möchte Regula Trutmann in Thiobon Ateliers für verschiedene handwerkliche Berufe wie Schreiner, Schneiderinnen, Mechaniker, Töpferinnen und Färber einrichten. Im Dorf gibt es genügend ausgebildete Leute, die ihr Wissen weiter geben können. «Damit würden weniger Junge in die Stadt ziehen und dort untergehen», ist Trutmann überzeugt.

Mehr Informationen zum Projekt gibt es auf der Homepage www.sopi.ch. Die neusten Werke von Regula Trutmann sind noch bis zum 1. November in der Galerie Nale, Alpenstrasse 5, Zug, ausgestellt.